Seltener Gast mit Sinn für Pathos und Kontrast

von Jürgen Dehl für Höchster Kreisblatt 12.1.2000E

Enikö Szendrey geht etwas sparsam mit ihrer Stimme um. Wenigstens in der hiesigen Gegend. Da ist sie dann und wann einmal als Solistin zu hören, wenn sie bei spielsweise mit ihrem Vockenhausener Chor ein Konzert gibt. Schade; denn die Sopranistin ist eine gute Liedgestalterin.Das war nun in der Evangelischen Talkirche zu hören und hier geht es schon wieder um eine Rarität.

"Singet dem Herrn ein neues Lied" stand über dem Konzert. Dieser Text aus Psalm 18 ist auch Grundlage für das erste der Biblischen Lieder von Antonin Dvořák, und für viele in der gut besuchten Talkirche dürfte es ein wirklich neues Lied gewesen sein. Die sechs Biblischen Lieder des tschechischen Tonsetzers gehören nicht zu den üblichen „Klassikrennern".

Virtuosität, im gängigen Sinne, wird für diese Gesänge nicht gefordert. Die gestalterische Herausforderung liegt auf einer anderen Ebene. Gefordert ist eine emotionale Hingabe, die heute vielen fremd geworden ist. Mit großer Schlichtheit ging Enikö Szendrey den Texten, die nach verschiedenen Psalmen gestaltet sind, nach. Dabei verzichtete sie nicht auf einige dramatische Akzente. Enikö Szendrey hat einen ausgeprägten Sinn für die große Geste, Sinn auch für Pathos und Kontraste. Ihre Stimme ist gut geführt, wobei die Mittellage und der Gang in die Tiefe besonderen Eindruck machen.